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Frühling am LyrikWelttag

gewaechshaus

In der gymnasialen Unterstufe fehlte mir noch das Poesiegespür. Als ich in der Pubertät war, begann ich aus Mangel an verständnisvollen Mitmenschen mit mir selbst zu sprechen und brachte diese Zwiegespräche stichwortartig aufs Papier. Mein Weltschmerz tropfte ungefiltert in die Bleistiftspitze, das Nachlesen verschaffte mir Gemeinschaft durch Wörter.

Die erratischen Traktate würde ich heute als „Backfischlyrik“ bezeichnen, jedenfalls öffneten sie emotionale Schleusen, durch die ich ein Leben lang Zugang auch zur Poesie anderer Autoren erhielt.

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B i o g r a f i s c h e s 1968 / 7

Alle Medien berichteten im vergangenen Jahr überschwänglich, was sich 1968, vor etwa 50ig Jahren, in der BRD als Aufbruch in eine neue Zeit „abgespielt“ haben soll. Wie war das Leben von Jugendlichen in dieser Zeit, die nicht in den Metropolen studierten? Ich war einer davon. 1968 wurde ich neunzehn Jahre alt, musste noch zwei Jahre bis zur Volljährigkeit warten!biografie

Im Frühjahr 1969 wollten wir endgültig Kleinstadt und Elternhäuser verlassen. Da ich in Wuppertal-Unterbarmen an der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen, Abteilung Hochbau, studierte, versuchten wir in der Nähe eine Wohnung zu finden.

Trotz Anstecken von Verlobungsringen erbarmte sich kein Vermieter einem 19-jährigen Pärchen zu einer eigenen Wohnung zu verhelfen. Wir empfanden eine seltsame Ableh-nungssolidarität zwischen Elternhaus und potentiellen Vermietern: Jugendliche hatten offensichtlich bis zu Volljährigkeit und Ehe zuhause zu wohnen! Wir gaben nicht auf.

Meine Freundin, die täglich mit der Bahn zur Arbeit nach Remscheid fahren musste, fand für sich ein ganz kleines, sehr schlicht möbliertes Zimmer in der 1. Etage eines Altbaus und ich Ev-Reformierter mietete Bett und Verpflegung in einen Dreibettzimmer im Kolping Jungmännerheim der katholischen Kirche.  Beide von uns eher als „Wohnknäste“ empfundene Zimmer lagen in W-Elberfeld in geringer fußläufiger Entfernung vonein-ander.

Keiner von uns durfte laut Mietvertrag den Partner mit aufs Zimmer nehmen. Es trotzdem zu tun, war subversiv und angstbesessen. Der Traum, gemeinsam Zeit ohne Stress und  Provisorium zu verbringen, wurde uns gründlich ausgetrieben. Nur die Eltern konnten wir eine kurze Zeit in gebührendem Abstand halten.

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B i o g r a f i s c h e s 1968 / 6

Alle Medien berichteten im vergangenen Jahr überschwänglich, was sich 1968, vor etwa 50ig Jahren, in der BRD als Aufbruch in eine neue Zeit „abgespielt“ haben soll. Wie war das Leben von Jugendlichen in dieser Zeit, die nicht in den Metropolen studierten? Ich war einer davon. 1968 wurde ich neunzehn Jahre alt, musste noch zwei Jahre bis zur Volljährigkeit warten!schattenreich

Die Konflikte mit unseren konservativen Eltern nahmen stark zu, als das Interesse am anderen Geschlecht wuchs. Meine erste große Liebe (den ersten vorsichtigen Kuss mit einer Nachbarstochter zähle ich nicht dazu) wuchs 1966 nach der Realschulzeit  behutsam heran. Eine Mitschülerin aus der parallelen Mädchenklasse fing mein Herz ein. Es folgte ein erster Blick, eine erste Berührung und unzählige Briefe, die wir uns schrieben. 1967, in unserer Ausbildungszeit, waren wir dann ein festes Pärchen und sahen uns mehrfach in der Woche und an jedem Wochenende.

Der Aufenthalt in der elterlichen Wohnung bot uns jedoch nicht die Freiheit, die unsere erste Liebe benötigte. Der Kinsey-Report, Oswalt Kolles Bücher und Filme, die Bravo Aufklärungsseiten und die Berliner Kommunen erweckten in uns Seiten, die unsere Eltern nicht nachvollziehen konnten. Aus Angst, dass wir vor Volljährigkeit und Ehe Sex haben könnten und eine Schwangerschaft provozierten, führte zu einem fast totalen Aufenthalts-verbot auf unseren Jugendzimmern.

In Ermangelung von Intimsspäre eroberten wir bei Wind und Wetter  Wälder, Friedhöfe,  Baustellen und Gärten mit schützenden Trauerbuchen und Gartenhäusern. Besonders im Winter 67/68 schmiedeten wir, während wir uns gegenseitig auf einem Heizungskeller-fensterrost wärmten, Fluchtgedanken aus diesem liebesfeindlichen Umfeld.

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B i o g r a f i s c h e s 1968 / 4

Alle Medien berichteten im vergangenen Jahr überschwänglich, was sich 1968, vor etwas über 50ig Jahren, in der BRD als Aufbruch in eine neue Zeit „abgespielt“ haben soll. Wie war das Leben von Jugendlichen in dieser Zeit, die nicht in den Metropolen studierten? Ich war einer davon. 1968 wurde ich neunzehn Jahre alt, musste noch zwei Jahre bis zur Volljährigkeit warten!39 degrees band

Die Musik der Beatles, der Rolling Stones und vieler anderer „Männer“-Bands wurde Motivation zur Gründung von tausenden regionalen Musikgruppen. In meiner kleinen Heimatstadt im Bergischen Land gabe es 1968 zwei Bands, die mit einigen ehemaligen Schülern der Realschule besetzt waren. Neben der eher an den Rolling Stones orientierten Band (Name entfallen) mit Hellmut R. hatten meine Klassenkameraden Hans Joachim A. (Ali/Sologitarre) und Norbert F. (Noppes/Rhythmusgitarre) und meine Wenigkeit (Tim/ E-Bass) uns ab 1966 in das Equipment, das Gitarrenspiel und das Einüben von „weicheren“ Coverversionen eingefühlt.

Anfänglich probten wir in der Scheune meines bäuerlichen Onkels auf alten Röhrenradios, die mit selbgebauten Vorverstärkern zu halsbrecherischer Lautstärke getunt waren. Später zogen wir dank Jochens Vater in das heimische Postgebäude um, wo wir nach Feierabend und am Wochenende übten. Als schließlich der Schlagzeuger Horst V. ab Sommer 1967 mit uns trommelte, rockten wir nun schon auf einer selbstgebauten Conrad-Verstärker-anlage. Ab Anfang 1968 probten wir in einer Vorstadtturnhalle, deren Schlüssel mein bei der Stadt arbeitender Vater uns vermittelt hatte.

Bei gutem Wetter spielten wir auch draußen. Als Publikum applaudierten nicht selten zwei Freundinnen und eine Menge Kinder aus der Nachbarschaft. Im Herbst 68, nach nur wenigen Auftritten, löste sich unsere Band zwangsläufig auf. Norbert musste zur Bundeswehr nach Norddeutschland und ich begann mein Bauingenieur-Studium in Wuppertal-Unterbarmen, wohin ich auch bald meinen Wohnsitz verlegte.

Anbei eine Originalaufnahme vom Auftritt unserer Band am 20.01.1968 (gerettet vom Mehrspur-Tonbandgerät über einen Kassettenrecorder aufs digitale Aufnahmegerät). Wir coverten den Hit „Sunny Afternoon“, den die Kinks 1966 herausgebracht hatten.

Was mich 1968 noch so umtrieb war . . .  (demnächst mehr)

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B i o g r a f i s c h e s 1968 / 3

Alle Medien berichteten im vergangenen Jahr überschwänglich, was sich 1968, vor jetzt einundfünfzig Jahren, in der BRD als Aufbruch in eine neue Zeit „abgespielt“ haben soll. Wie war das Leben von Jugendlichen in dieser Zeit, die nicht in den Metropolen studierten? Ich war einer davon. 1968 wurde ich neunzehn Jahre alt, musste noch zwei Jahre warten, bis ich als volljährig erklärt wurde!beatles magical mystery tour

Die Musik hatte auf dem Land größeren Einfluss auf gesellschaftliche Veränderung als die politischen Auseinandersetzungen in den Metropolen. Gespeist von Radio-Luxemburg und BFBS hörte ich Songs von Elvis, den Beatles, Rolling-Stones und vielen anderen Bands. Während in der Grundig-Musiktruhe meiner Eltern deutschsprachige Schlager, Volkslieder und Marschmusik lagerten, legte ich dort seit 1963 bei Abwesenheit der Eltern  meine ersten englischsprachigen Singles auf. Meine älteste Single ist „Twist im Star-Club“ mit den beiden Titeln „Sweets for my sweet“ und „Listen to me“ von den Searchers. Der Star-Club in Hamburg war damals die angesagteste Adresse für aufstrebende Bands.

Bald darauf sparte ich mir einen eigenen Plattenspieler zusammen. Im Deckel des Koffer Dual Type P 1007 A (gebaut zwischen 1960 und 1969) war der Lautsprecher eingelassen. Ab jetzt wurde meine sparsam illuminierte Dachkammer wie eine Discothek beschallt. Die Saphirnadel kratze sich durch Titel wie „My Generation“ (The Who), „Born to be wild“ (Steppenwolf) und „When a man loves a woman“ (Percy Sledge).

Rock und Pop wurde Jugendkult, eine wichtige Kraft im Aufbegehren gegen die Generation meiner Eltern. Dem Musikgeschmack folgte die Haar- und Bekleidungsmode und die Gründung unzähliger Cover-Bands.

Was mich 1968 noch so umtrieb war . . .  (demnächst mehr)

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B i o g r a f i s c h e s 1968 / 2

Alle Medien berichten in diesem Jahr überschwänglich, was sich 1968, vor nun genau 50ig Jahren, in der BRD als Aufbruch in eine neue Zeit „abgespielt“ haben soll. Wie war das Leben von Jugendlichen in dieser Zeit, die nicht in den Metropolen studierten? Ich war einer davon:mein 1968

1968 wurde ich neunzehn Jahre alt, musste noch zwei Jahre bis zur Volljährigkeit warten.

In den siebziger Jahren verbrachten meine Eltern, meine jüngere Schwester und ich die Sommerferien regelmäßig an der holländischen Nordsee in der Nähe von Alkmaar. Im Sommer 1967 saß ich das letzte Mal auf dem Rücksitz unseres schwarzen VW-Käfers Richtung Holland, träumte mich durch das ovale Rückfenster zurück in meine bergische Kleinstadt. Auf was musste ich jetzt für drei Wochen verzichten: Meine erste große Liebe, unsere Musik-Band, mein Zimmer, … meine Freiheit, … den Hof meines Großvaters, … die Baustelle während meines Hochbaupraktikums? Die gelegentlichen Spannungen und Diskussionen mit meinen eher konservativen Eltern hielten auch in der mit Jod durch-tränkten Seeluft an. Mir wurde glasklar, dass ich im kommenden Jahr nicht mehr mitfahren könnte. Ganz so radikal setzte ich das jedoch nicht um. Im Sommer 68 trampte ich mit Rucksack und Gitarre zum bekannten Urlaubsort und stattete meiner Restfamilie einen einwöchigen Besuch ab. So lernte ich das Leben auf der Straße kennen, mein bescheidener Aufbruch in ein freiheitliches Leben.

Was mich 1968 noch so umtrieb war . . . .  (demnächst mehr)

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B i o g r a f i s c h e s 1968 / 1

Zeitungen, Funk- und Fernsehen, Bücher, Ausstellungen und andere Medien berichten in diesem Jahr überschwänglich, was sich 1968, vor nun genau 5oig Jahren, in der BRD als Aufbruch in eine neue Zeit  „abgespielt“  haben soll. Wie war das Leben von Jugendlichen in dieser Zeit, die nicht in den Metropolen lebten? Und ich war ja einer von denen:paradiesbauer biografie

Ich war 1968 neunzehn Jahre alt, musste damals noch 2 Jahre bis zur Volljährigkeit warten. Meine Eltern hatten mir mit 14 Jahren eine Kleinbildkamera geschenkt, mit der ich hauptsächlich Schwarz-Weiß fotografierte. Ich wohnte wieder, nach einem gescheiterten „Ausbruchversuch“, bei meinen Eltern. Die Ereignisse aus Berlin und anderen Metropolen bekam ich kaum mit, denn wir hatten keinen Fernseher und die Tageszeitung ignorierte ich. Während meines zweijährigen Hochbaupraktikums, das ich nach der Realschule im Jahr 1966 begann, kam ich mit der 68er-Bewegung kaum in Berührung. Ab und an sah ich während der Arbeitspausen Schlagzeilen und große Fotos von Auseinandersetzungen in Berlin, Frankfurt und anderswo, wenn die deutschen Maurerkollegen ihre Bildzeitung aufgeschlagen hatten. Ich konversierte lieber mit dem italienischen und dem griechischen Gastarbeiter. Sie aßen keine fertig geschmierten Brote, sondern schnitten Paprika, Tomaten, Käse und Hartwurst wechselseitig ab, bissen in eine Stange Weißbrot und kauten genüsslich. Dort lernte ich zum ersten Mal den Geschmack von Oliven kennen und wie schön es in ihren Ländern wäre, wenn es dort nur genug Arbeit gäbe.

Was mich damals umtrieb war . . . . . (demnächst mehr!)

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